Seit gut zwei Jahrzenten ist die Sozialwirtschaft mit ihren Institutionen der Wohlfahrtspflege von einem dramatischen Wandel betroffen. Den aktuellen Stand der sozialwirtschaftlichen Realität und Perspektiven für die Zukunft zeigt das Institut Arbeit und Technik (IAT / Westfälische Hochschule) in ausgewählten Analysen im aktuell erschienenen Sammelband „Neue Governancestrukturen in der Wohlfahrtspflege“ (Hg. Prof. Dr. Rolf G. Heinze, Dr. Joachim Lange und Prof. Dr. Werner Sesselmeier) auf.
Die Baustellen der Digitalisierung untersuchen Prof. Dr. Josef Hilbert, Denise Becka und Dr. Sebastian Merkel in ihrem Beitrag „(R)evolution der Sozialwirtschaft“: Die Digitalisierung ist in der Branche angekommen. Aber gleichzeitig herrscht große Unübersichtlichkeit: Was sind die Nutzungsmöglichkeiten? Welche Veränderungen, Wirkungen und Folgen könnten sie für Patienten bringen? Welche Konsequenzen haben sie für die Art und Weise, wie in Zukunft bei den Sozialen Diensten gearbeitet wird und wie wird in Zukunft das Zusammenspiel innerhalb der Sozialwirtschaft und mit den vielen Freiwilligen und Ehrenamtlichen laufen? Die Autor_innen versuchen ein Zwischenresümee: Nach einem Überblick über Einsatzfelder und Nutzungsmöglichkeiten für digital unterstützte Erneuerungen in der Sozialwirtschaft werden Erfahrungen in der Pflege sowie für die freiwillige und ehrenamtliche Zusammenarbeit skizziert. Es zeigt sich: jenseits der „hypeartigen“ (fach-)öffentlichen Debatten läuft noch vieles suboptimal und Erneuerungen kommen nur zögerlich voran. Digitale Techniken in der Sozialwirtschaft sollten als soziale Innovationen angelegt werden, d.h. nicht ausschließlich von den technischen Chancen, sondern von den Bedarfen der Sozialen Arbeit her entwickelt werden und dabei die Expertise aus der Praxis einbeziehen.
Die IAT-Forscherin Michaela Evans untersucht den "Faktor Arbeit" unter dem Aspekt der Govemance sozialer Dienstleistungsarbeit. Die arbeitspolitischen Governancestrukturen im Pflegemarkt sind durch Fragmentierungen der Arbeitsrechtssysteme, der Tarifsysteme sowie der Verhandlungsakteure und -arenen geprägt. Die wachsende Nachfrage macht es unerlässlich, die Arbeitsplätze in der sozialen Dienstleistungsarbeit attraktiver zu machen. Aber: Aufwertungsstrategien für Pflegearbeit, die ausschließlich top-down-orientiert sind, an der Entgelthöhe ansetzen und mit alten Rezepten auf die fragmentierte Governance und die Re-Organisation von Arbeitsinteressen in der Pflege und Sozialwirtschaft reagieren, greifen zu kurz. Evans schlägt ein »Betriebspanel Sozialwirtschaft« vor. Es soll zentrale wirtschaftliche, tarifpolitische und personalwirtschaftliche Entwicklungen empirisch erfassen und dadurch eine systematische Wissensbasis für die Weiterentwicklung der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit bei der Branchenentwicklung schaffen. Darüber hinaus könnten Anreize für Pflegeunternehmen sinnvoll sein, die zur Verhinderung eines Lohnkostenwettbewerbs und zur Förderung eines pflege- und arbeitspolitischen Qualitätswettbewerbs ihre Interessen trägerübergreifend organisieren.
Quelle: Presseinformation des IAT vom 21.06.2018
< zurück