Donnerstag, 02. Februar, bis Donnerstag, 02. März 2023

Ausstellung erzählt vom Leben während der NS-Diktatur

Bilder aus den 29 Gedenkstätten und Erinnerungsorten in NRW - Noch bis zum 3. März

 

Dr. Daniel Schmidt, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, führt Gelsenkirchens Bürgermeisterin Martina Rudowitz durch die Ausstellung. Foto: Stadt Gelsenkirchen / Gerd Kaemper

Als Grete Hertz im Sommer 1942 ihre geliebte Brotschneidemaschine an ihren Nachbarn Carl Ballhaus verlieh, wusste sie nicht, dass sie nie in ihre Heimatstadt Petershagen im äußersten Nordosten von Nordrhein-Westfalen zurückkehren würde: Ihr Weg führte die Familie Hertz zunächst ins Ghetto Theresienstadt, am 6. Oktober 1944 wurde sie ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort vermutlich ermordet. Ihr Nachbar jedoch hob die mechanische Schneidemaschine für die Familie auf, vererbte sie an seinen Sohn und die Enkeltochter mit dem Verweis, gut auf sie zu achten. Und deren Nachfahren sorgten dafür, dass das Erinnerungsstück Jahrzehnte später zum wichtigen Ausstellungsteil der Alten Synagoge Petershagen wurde, weil diese Brotmaschine eine Geschichte von Nachbarschaft, von Vertrauen und von der Kraft der Erinnerung erzählen kann.

Im Rahmen der Ausstellung „Mehr als man kennt näher als man denkt - Objektgeschichten aus Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen“ ist Grete Hertz Küchengerät nun auch in Gelsenkirchen zu sehen: Bis zum 3. März wird die Wanderausstellung  in der Arkade des Wissenschaftsparks gezeigt. Sie  kann montags bis freitags jeweils von 8 Uhr bis 18 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.

Die Ausstellung wurde als gemeinsames Projekt der Landeszentrale für politische Bildung NRW und des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und –Erinnerungsorte NRW konzipiert, Großformatige Infotafeln zeigen Exponate aus den 29 NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorten im Bundesland und erzählt die Geschichten dazu.

Geschichte und Erinnerungen zum Greifen nah

Diese Geschichten erinnern an die Menschen, denen die Gegenstände gehörten, denen sie geraubt wurden oder die sie für die Gegenwart retteten. Im Laufe der Zeit veränderten sie ihre Bedeutung oder ihre Funktion. Die einen waren einst wichtiger Bestandteil religiöser Feiern. Die anderen halfen ganz praktisch im Alltag, aber auch Spielzeug und Schmuck ist hier zu finden. Heute besitzen sie alle dieselbe Funktion: Die Erinnerung wachzuhalten, entweder an Menschen, die von Nationalsozialisten verfolgt wurden, oder aber um den einstigen Tätern ein Gesicht zu geben. Die Objekte stehen stellvertretend für den Auftrag ihrer Aufbewahrungsorte: Sich immer wieder der Vergangenheit zu stellen und nach ihrer Bedeutung für die Gegenwart zu fragen.

Zu sehen sind da Bilder der Schabbat-Lampe aus Dorsten, die den Krieg und die Vertreibung überdauerte, einer Taschenuhr mit Gravur aus Dortmund, die an ein besonderes Treffen erinnert, eines tragbaren Stapeldruckers aus Duisburg, mit dem Flugblätter für den Widerstand vervielfältigt wurden und von Mosaiksteinen, die ein Kind am Tag nach der Pogromnacht aus den Fenstersplittern der Essener Synagoge zusammensammelte und wie einen Schatz aufbewahrte und hütete.

Die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ steuerte zu dieser Wanderausstellung ein Repro der Wandinschrift des 25-Punkte-Programms der NSDAP von 1920 bei.

Die Vielfalt der Erinnerungsorte

Eindrucksvoll spiegelt die Wanderausstellung auch die Vielfalt der Exponate und der Erinnerungsorte: 29 NS-Gedenkstätten, Lern- und Erinnerungsorte widmen sich in Nordrhein-Westfalen der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Kein anderes Bundesland weist eine so dezentrale erinnerungskulturelle Landschaft auf. Umso wichtiger ist die Vernetzung: Um ihre Arbeit zu bündeln, gründeten die Einrichtungen vor nun 26 Jahren den Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in Nordrhein-Westfalen. Die aktuelle Ausstellung soll zudem zeigen, wie nah die Erinnerungsorte beieinander liegen – und dass es sich lohnt, sie alle zu besuchen.

> Die einzelnen Exponate der Ausstellung sind in Videoclips und mit ausführlicher Beschreibung auch im Internet zu finden: Über die Seite https://www.politische-bildung.nrw.de/erinnern/mehr-als-man-kennt-naeher-als-man-denkt können die Erinnerungsstücke aufgerufen werden.

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Die Ausstellung in der Arkade des Wissenschaftsparks ist bis zum 2. März 2023 zu sehen. Foto: Stadt Gelsenkirchen / Gerd Kaemper

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