Das einst weltgrößte Solardach, mit dem 1996 auf dem Wissenschaftspark Gelsenkirchen die Energiewende im Ruhrgebiet eingeläutet wurde, musste zum Jahreswechsel vom Netz genommen werden. Der Grund: die Novellierung des Erneuerbare Energien-Gesetzes. Kurz vor Weihnachten stellte sich heraus, dass die Anlage am Jahresende keinen Strom mehr liefern darf. „Ärgerlich ist, dass uns dieser chaotische und undurchsichtige Gesetzgebungsprozess gar keine andere Wahl gelassen hat, als die Anlage jetzt kurzfristig vom Netz zu nehmen,“ sagt Wolfgang Jung, Geschäftsführer des Wissenschaftsparks. Schon jetzt ist klar: Trotz sofortiger Prüfung von Alternativen wird die Solaranlage noch bis März keinen Strom mehr liefern dürfen.
Die Änderung im Entwurf des Erneuerbare Energien-Gesetz kam überraschend. Die von Bundestag und Bundesrat am 17. Dezember verabschiedete Novelle enthielt – für Außenstehende kaum vorhersehbar - keine Anschlussregelung für Photovoltaik-Altanlagen größer 100 kW Leistung, die die nach Ende der 20-jährigen Förderperiode aus dem EEG fallen. Während kleinere PV-Anlagen und Windräder unverändert einspeisen dürfen, fallen die größeren PV-Anlagen durch alle Raster. „Am 22.Dezember teilte uns der von der Regelung ebenfalls überraschte Verteilnetzbetreiber mit, dass jede Kilowattstunde Strom, die wir nach dem 1. Januar einspeisen, als „wilde“ und damit illegale Einspeisung zu werten sei. Also habe ich am 30. Dezember um 12 Uhr die Anlage komplett abgeschaltet“, fasst Thorsten Ellenbeck, der mit der Anlagenführung betraute Fachingenieur, die Vorgänge zusammen.
Zwischen den Jahren hat das Team des Wissenschaftsparks überlegt, wie der klimafreundliche Solarstrom vom Dach, immerhin 130.000 Kilowattstunden jährlich, rasch wieder „legalisiert“ werden kann. Um überhaupt ans Stromnetz gehen zu dürfen, musste ein sogenannter „Direktvermarkter“ gesucht werden – und wurde mit der EnBW-Tochter Interconnector bereits gefunden. „Allerdings ist die Neuzuordnung in die Direktvermarktung und damit Wiederzuschaltung der Anlage an das Stromnetz auf Grund diverser Fristen frühestens ab dem 1. März 2021 möglich“, berichtet Ellenbeck.
Die Zeit will der Wissenschaftspark nun nutzen, um die Original-Wechselrichter aus dem Jahr 1995 durch leistungsfähigere, neue Geräte zu ersetzen. Gleichzeitig wird die Anlage fernsteuerbar eingerichtet. Das ist die technische Voraussetzung dafür, dass der Direktvermarkter den Solarstrom vom Wissenschaftspark an der Strombörse verkaufen kann.
„Wir rechnen damit, dass wir etwa 90 Prozent des Stroms im Wissenschaftspark selbst verbrauchen können. Nur den Rest werden wir – voraussichtlich für wenige Cent pro Kilowattstunde - direkt vermarkten. Die Direktvermarktung an sich lohnt sich nicht, ist aber für alle, die nicht energieautark sind und nicht unter die Anschlussregelung des EEG fallen, die einzige Möglichkeit, den selbst erzeugten Strom zu nutzen und Überschussmengen einzuspeisen“, sagt Wolfgang Jung. Letztlich ist er froh, dass der Strombedarf im Wissenschaftspark unter anderem zur Raumklimatisierung zeitlich gut zur Solarstromerzeugung passt und dadurch ein hoher Eigenverbrauchsanteil möglich wird. „Für uns ist ein Weiterbetrieb der Anlage wirtschaftlich sinnvoll. Für viele ältere Anlagen, die die Energiewende erst möglich gemacht haben, aber an entlegeneren Standorten errichtet wurden, dürfte die neue Gesetzeslage aber richtig bitter sein“, vermutet der Geschäftsführer.
< zurück