Warum entscheiden sich Menschen gegen die Covid-Impfung?

IAT sorgt für erstmaligen überregionalen Austausch sozialwissenschaftlich-empirischer Erkenntnisse und Vorgehensweisen zur Überwindung von Impfvorbehalten 

Vor dem Stempel im Impfpass stehen noch bei zu vielen Menschen Bedenken. Das IAT hat sie gesammelt und diskutiert Möglichkeiten zur Verbesserung der Impfquote. (Archivfoto von der Impfstation im Wissenschaftspark, aktuell wird hier - mangels Nachfrage - nur getestet). Foto: Wissenschaftspark

Warum entscheiden sich Menschen gegen die Covid-Impfung? Dieser Frage ist das im Wissenschaftspark Gelsenkirchen ansässige Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule in einer Online-Befragung und einer öffentlichen Online-Diskussion mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen nachgegangen. Die Veranstaltung von IAT, MedEcon-Ruhr und NDGR zum Austausch über sozialwissenschaftlich-empirische Erkenntnisse über Menschen mit Impfvorbehalten war die erste ihrer Art in Deutschland. Auch der überregionale Austausch zu Vorgehensweisen zur Überwindung von Impfvorbehalten war eine Premiere. Es wurde der Wunsch geäußert, den Austausch fortzusetzen.

Die IAT-Online-Befragung wurde vor dem Hintergrund durchgeführt, dass für die angestrebte Impfquote von 85 Prozent in Deutschland mindestens weitere zehn Prozent der Bevölkerung von der Impfung überzeugt werden müssten. Die Umfrage-Ergebnisse deuten unter anderem darauf hin, dass Personen, die sich gegen eine COVID-19 Impfung entscheiden, auch andere Schutzmaßnahmen gegen COVID-19 als weniger sinnvoll bewerten. Befragt nach den Gründen, die gegen eine Impfung sprechen, gab es vielfältige Antworten: sie reichen von Falschinformationen über die Annahme einer fehlenden Notwendigkeit der Impfung bis hin zur Angabe, dass damit die persönliche ablehnende Meinung gegenüber COVID-19 zu untermauert werden solle. 

Offenbar geht es bei dieser Personengruppe nicht nur Unsicherheiten zur Wirkung und Sicherheit des Impfstoffes, sondern auch um politische, zum Teil auch staatsfeindliche Motive, vermutet das Forschungsteam. Das spiegelt sich auch in der Nennung der unterschiedlichen Gründe gegen eine Impfung wider – 21 Prozent der ungeimpften Personen nannten Gründe, die in die Kategorie „Verschwörungstheorien“ fallen. „Diese Impfverweigerer zu erreichen wird wohl schwierig werden“, vermutet das IAT-Team.  

Vielversprechender scheint es hingegen Personen zu erreichen, die Gründe genannt haben, die sich in die Kategorie unsicherer Impfstoff oder Falschinformationen einordnen lassen – die häufigsten Nennungen in der Befragung. „Maßnahmen, die auf laienkonforme Aufklärung über die Sicherheit des Impfstoffes abzielen oder gezielt Falschinformationen aufgreifen und diese widerlegen, könnten hier zielführend sein“. Der hohe Anteil der ungeimpften Personen, der offenbar weite Teile der Pandemie-Maßnahmen ablehnt, zeigt, dass bei der Suche nach Lösungsstrategien nicht nur medizinische, sondern vielmehr auch gesellschaftspolitische Fragestellungen mitbedacht werden müssen. 

Im Rahmen der Bekämpfung der Pandemie stellt sich nun die Frage, ob man Möglichkeiten finden kann, einen Teil der Impfverweigerer:innen von der Impfung zu überzeugen beziehungsweise Vorbehalte zu überwinden. Hierzu hat das IAT als ersten Grundstein Anfang  März einen Austausch von Expert:innen der Wissenschaft sowie der Praxis, die sich mit dem Thema rund um die COVID-19 Impfung beschäftigen, organisiert. Die Veranstaltung richtete sich an Wissenschaft, Vertretungen aus Kommunen,V erantwortliche aus Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft, aber auch an interessierte Bürgerinnen und Bürger. Neben der IAT-Studie wurden weitere wissenschaftlich-empirische Studien vorgetragen vom Robert-Koch-Institut (RKI), von der Universität Kassel sowie der Ruhr-Universität-Bochum. Praktiker*innen-Beiträge kamen aus der Gesundheitsregion Nordwest/Bremen, dem Ruhrgebiet und Sachsen sowie aus der Altenhilfe und der Integrationspolitik. Die Veranstaltung wurde durch die Gesundheitswirtschaftsorganisation des Ruhrgebiets MedEcon Ruhr und das Netzwerk Deutsche Gesundheitsregionen (NDGR e.V.) unterstützt und Prof. Dr. Josef Hilbert (NDGR) sowie  Dr. Peter Enste (IAT) moderiert.

Zentrale Erkenntnisse der Veranstaltung waren: 

  • In Deutschland gibt es einen großen Anteil (> 10 %) von Menschen mit Vorbehalten gegen COVID-19 Impfungen. 
  • Bei einem Teil von ihnen (knapp die Hälfte) geht dies auf Fehlinformationen, Unwissen oder auf Unsicherheiten zurück und kann gegebenenfalls durch geeignete Überzeugungsaktivitäten überwunden werden. Bei anderen sind die Vorbehalte massiv und beruhen auf kaum nachvollziehbaren Motiven, Argumenten und Überlegungen.  
  • Unter den noch nicht geimpften Personen sind Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich vertreten. Gleichwohl zeigt sich, dass diese Personen oft aus Unwissenheit nicht geimpft sind und sich durch gezielte Information überzeugen lassen. 

    Regionale, kommunale Aktivitäten zur Überwindung von Impfvorbehalten funktionieren am besten, wenn  
  • sie dezentral, quartiersnah angelegt sind;  
  • die Muttersprache der Bewohner*innen sprechen;  
  • auf Kommunikation und nicht auf Druck setzen;  
  • das Gemeinschaftsgefühl und die Gemeinschaftsverantwortung adressieren;  
  • aufsuchend ausgerichtet sind;  
  • die Unterstützung von Schlüsselpersonen in ‘Peer Groups‘ nutzen können;  
  • wissenschaftliche Unterstützung haben, etwa durch Public-Health-Expert:innen;  
  • berücksichtigt wird, dass Menschen mit Migrationshintergrund kontextreiche Kommunikation schätzen und von direkten deutschen Ansprachewegen irritiert werden.  

Die oben genannten Erfolgsfaktoren sind keine Erfolgsgarantien; sie machen Hoffnung, haben sich in etlichen Fällen bewährt(unter anderem. in Bremen), waren aber keineswegs überall befriedigend wirksam. 

In Einrichtungen der Altenhilfe werden hohe Impfquoten dann wahrscheinlich, wenn sich das Management intensiv kümmert – etwa durch Vorbildverhalten, personalisierte Ansprache oder ein eingespieltes betriebliches Gesundheitsmanagement. 

> Informationen zur Veranstaltung, Links zu den vorgestellten Studien und Präsentatione

> Ergebnisse der IAT_Umfrage

Quelle: Pressemeldungen des IAT

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