Solardach: Zu schade zum Abschalten oder "Totgesagte leben länger!"

Eine der ältesten Solaranlagen der Welt liefert eifrig weiter Strom – davon profitieren nun vor allem die Unternehmen vor Ort im Wissenschaftspark

Wissenschaftspark-Geschäftsführer Stefan Eismann freut sich über die gelungene Wiederinbetriebnahme der Solaranlage.

Nach einer Zwangspause durch eine abrupte EEG-Änderung Ende des vorigen Jahres und eine Reihe dadurch erforderlicher Umbaumaßnahmen ist eine der ältesten deutschen Großsolaranlagen wieder ans Netz gegangen. Auch nach 25 Jahren produzieren viele Module auf dem Dach des Wissenschaftspark Gelsenkirchen immer noch eifrig Strom. Und das, obwohl ihre Garantiezeit schon längst abgelaufen ist - und die Anlage auch schon drei Gigawattstunden Solarstrom im Laufe ihres Lebens mit entsprechenden CO2-Ersparnissen produziert hat. Nach einer aufwändigen Modernisierung können nun vor allem die Unternehmen, die sich im Wissenschaftspark angesiedelt haben, von der historisch bedeutsamen Solaranlage profitieren.

Die Wissenschaftspark Gelsenkirchen GmbH musste eine Reihe von Investitionen tätigen, um die Anlage wieder in Betrieb nehmen zu dürfen. „Nur mit Erlösen von der Strombörse hätte sich diese Wiederinbetriebnahme nicht gerechnet. Aber indem wir den Strom im Allgemeinstrom des Hauses selbst verbrauchen, können wir Nebenkosten für unsere Mieter senken – und das ist ein Standortvorteil mehr im Wissenschaftspark“, erläutert Stefan Eismann, Geschäftsführer des Wissenschaftsparks Gelsenkirchen die komplexe Maßnahme.

Juristisch war die „Altanlage“, die bei ihrer Eröffnung das größte Solardach der Welt darstellte, bei einer überraschenden Gesetzesänderung kurz vor Weihnachten im Vorjahr durch alle Raster - und damit aus dem Geltungsbereich des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) - gefallen. Um den umweltfreundlichen Strom vom Dach wieder zu „legalisieren“, blieb am Ende nur eine Umverdrahtung in das Stromnetz des Gebäudes und die Anmeldung an der Strombörse in der Kategorie „Sonstige Direktvermarktung“, für die überschüssig ins Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strommengen

„Für die Sonstige Direktvermarktung musste die Anlage fernsteuerbar  sein. Dazu mussten wir die alten Original-Wechselrichter austauschen und eine komplett neue Regeltechnik aufsetzen. Das war machbar, aber technisch nicht ganz einfach,“ sagt  Diplom-Ingenieur Thorsten Ellenbeck, der die Anlage seit 2004, zunächst als Mitarbeiter des Wissenschaftsparks, später selbständig mit einem auf Solarprojekte spezialisierten Ingenieurbüro von Köln aus betreut.

Nach dem Umschluss Anfang August können sowohl  die EVNG als Netzbetreiber als auch die EnBW-Tochter Interconnector, der beauftragte Direktvermarkter an der Strombörse, die Anlage drosseln oder abschalten. „Das kann erforderlich werden, wenn eine Überlastung des Netzes zu befürchten ist, bei Ausbauarbeiten am Stromnetz, oder wenn an der Strombörse ein Überangebot an Strom vorliegt. Es wird aber eher selten vorkommen“, sagt Ellenbeck.

Bis Ende September konnten bereits wieder etwa 30.000 Kilowattstunden Solarstrom erzeugt werden, der nun ganz überwiegend im Gebäude verbraucht wird, berichtet Ellenbeck und stellt nüchtern fest: „Rein wirtschaftlich betrachtet, war letztlich die Möglichkeit, den Strom im Wissenschaftspark selbst nutzen zu können, ausschlaggebend, die Anlage wirtschaftlich weiterbetreiben zu können.“

So findet die Geschichte des weltgrößten Solarkraftwerks, das als Pilotanlage in einem dicht besiedelten Bereich gebaut wurde, weil es bis dahin nur Großanlagen weit entfernt von den Verbrauchern auf dem Land gab, ihre logische Fortsetzung: Die meisten der originalen Solarmodule aus der Flabeg-Solarfabrik in Gelsenkirchen sind noch im Betrieb. Einzelne Module, die - meist durch Oxidation oder Glasbruch – ausfallen,  wurden und werden sukzessive durch neue Module ausgetauscht., so dass sich das Solardach im Laufe der Zeit allmählich verjüngt, ganz im Sinne der Erkenntnis: „Totgesagte leben länger!“

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