Frauenarbeit in der Chancenfalle

IAT untersuchte Beschäftigungssituation von Frauen in der

Gesundheitswirtschaft im „Mittleren Ruhrgebiet"

Im Jahr 2013 waren mehr als 41.743 Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft der Region tätig, davon 32.512 Frauen. Gesundheitsarbeit in der ambulanten und stationären Versorgung sowie in der Altenhilfe ist zum weit überwiegenden Teil Frauenarbeit. Dieser Zusammenhang eröffnet häufig Chancen, birgt aber berufsbiographische „Fallen". „Risiken für weibliche Erwerbsarbeit in der Gesundheitswirtschaft entstehen vor allem durch die Kombination und berufsbiographische Stabilität von Helfer-Qualifikationen, Teilzeitarbeit oder geringfügiger Beschäftigung", wie eine aktuelle Studie zeigt, in der das Institut Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule) die Erwerbs- und Beschäftigungssituation von Frauen in der Gesundheitswirtschaft in der Region „Mittleres Ruhrgebiet" (Bochum, Herne, Hattingen, Witten) untersucht. Insbesondere Altenpflegehelferinnen, die in den vergangenen Jahren steigende Ausbildungszahlen zu verzeichnen hatten, sind zunehmend von Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit in der Region betroffen. Ein Grund hierfür ist die wachsende Konkurrenz im und um den Helferbereich in der Altenpflege.

 

Für die Regionalanalyse im Auftrag von COMPETENTIA, „Kompetenzzentrum Frau und Beruf Mittleres Ruhrgebiet", haben die IAT-Wissenschaftlerinnen Michaela Evans und Denise Becka Daten der amtlichen Statistik zu Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Einkommen, Qualifikation und Ausbildung ausgewertet. Zudem wurden qualitative Interviews mit Beschäftigten, Arbeitgebern sowie Akteuren der Branchenförderung und Arbeitsmarktpolitik der Region durchgeführt.

 

Probleme im Strukturwandel der Gesundheitswirtschaft

 

Die Strukturpolitik für das Mittlere Ruhrgebiet stellt derzeit vor allem die kapital- und technologieintensiven Gesundheitsbranchen in den Mittelpunkt. „Dies wird der Beschäftigungsdynamik in den personalintensiven Arbeitsfeldern sowie den Problemlagen im Strukturwandel der Gesundheitswirtschaft selbst jedoch nicht gerecht", kritisiert Michaela Evans. Insbesondere Arbeitsplätze und Beschäftigungsumbrüche in der ambulanten Versorgung (v.a. niedergelassene Praxen, Apotheken), in der Altenhilfe sowie im Versicherungswesen und im Handel würden mit Blick auf weibliche Erwerbstätigkeit in der Region derzeit zu wenig beachtet.

 

Neue Berufsprofile, Qualifikationen und Kompetenzen im Gesundheitswesen eröffnen vom Grundsatz her neue Berufs- und Karriereperspektiven, vorausgesetzt sie werden von der Praxis angenommen. Niedrigschwellige Qualifikationen können beim Einstieg in die Arbeitswelt helfen. „Die Anreizstrukturen müssen dann jedoch auch so gesetzt sein, dass sich Weiterbildung und beruflicher Aufstieg für Beschäftigte und Arbeitgeber lohnen", fordert die IAT-Forscherin Denise Becka. Es dürften nicht noch zusätzliche Risiken wie Einkommenseinbußen und Unsicherheiten über die Verwertbarkeit der Qualifikationen entstehen. Zukünftig sollte in diesem Zusammenhang mehr Aufmerksamkeit auf die Entwicklung des Lohngefüges zwischen einzelnen Qualifikationsstufen innerhalb der Pflegeberufe gelenkt werden.

 

Professionalisierung neuer Kompetenzprofile

 

Etablierte Gesundheitsberufe verlieren in der Region an Attraktivität (z.B. Medizinische Fachangestellte, Pharmazeutisch-technische Assistenten) und neue Kompetenzprofile, etwa grundständig akademisch qualifizierte Pflegeberufe, sind noch nicht in der Praxis angekommen. Unklar ist vielfach, wie neue (akademische) Abschlüsse und Kompetenzprofile sinnvoll in die Arbeitswelt integriert werden können. Um die Professionalisierung neuer Kompetenzprofile in der Praxis frühzeitig zu unterstützen, könnte in Kooperation mit Arbeitgebern die Entwicklung betrieblicher Einarbeitungspfade als Orientierungs- und Handlungshilfen sinnvoll sein.

 

Wie die Studie zeigt, ist die Gesundheitswirtschaft ein Beschäftigungsbereich, in dem nicht selten auch „normale Arbeit" durch atypische Beschäftigungsmerkmale oder „verdeckt" prekäre Beschäftigungslagen gekennzeichnet sein kann. Diese können sich etwa in der Übernahme von Tätigkeiten, für die die vorhandenen Qualifikationen fehlen, in einer unzureichenden Praxisanleitung in der Ausbildung oder in unverlässlichen Arbeitszeiten äußern.

 

Auf dem Arbeitsmarkt in der primären Gesundheitsversorgung im Mittleren Ruhrgebiet zeichnet sich im bundesweiten Vergleich eine deutlich verschärfte Fachkräftesituation ab. Betroffen sind insbesondere die Berufsfelder Altenpflege (examinierte Fachkräfte), Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik, Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienste und Geburtshilfe. „Statt Fachkräfte aus anderen Regionen oder international anzuwerben, sollte zukünftig mehr Aufmerksamkeit in der Region auf die arbeitsplatznahe berufliche Nachqualifizierung, auf die Entwicklung überbetrieblicher Ressourcen zur Personal- und Organisationsentwicklung in der ambulanten Versorgung sowie auf Strategien zur Senkung von Abbrecherquoten in der Ausbildung gelegt werden", raten die IAT-Forscherinnen.

 

Ihre Ansprechpartnerinnen:

Michaela Evans, Durchwahl: 0209/1707-121, evans@iat.eu;

Denise Becka, Durchwahl: 0209/1707-227, becka@iat.eu

 

Redaktion:

Claudia Braczko

Institut Arbeit und Technik

der Fachhochschule Gelsenkirchen

Telefon: 0209/1707-176

E-Mail: braczko@iat.eu; Web: www.iat.eu

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